Zum Vergrößern des Textes drücken Sie bitte folgende Tasten:
WIN: Strg und +
MAC: CMD und +

CMD bzw. Strg und 0 ergibt wieder die normale Größe.

Grenzenlos Kultur vol. 20 - Theaterfestival
13. - 23. September 2018 in Mainz

Theater Hora - Body Dylan. Ein Mann mit Hut und dunkler Sonnenbrille hält ein Schild hoch. Darauf steht: Neil Young.

Foto: Theater HORA, © Joerg Brueggemann

Was haben stillgelegte Zechen, umgenutzte Fabriken, Zeugen aus Stein und Stahl mit Menschen mit Behinderung zu tun?

Auf den zweiten Blick jede Menge. Denn die Industrialisierung, die Deutschland im 19. Jahrhundert Richtung Moderne katapultierte und die der Kultursommer Rheinland-Pfalz in diesem Jahr mit seinem Motto „Industriekultur“ feiert, verbesserte medizinische Bedingungen, perfektionierte Rollstühle und Prothesen, provozierte den Sozialstaat. Zugleich wurden Menschen mit Behinderung an den Rand einer Gesellschaft gedrängt, die der Trierer Karl Marx in seinen Werken kritisch analysierte.

Wenn alles auf eine Wertschöpfung hinausläuft, stellt sich automatisch die Frage, ob man Wert(e) nicht (wo)anders schöpfen muss. Zum Beispiel im Theater. Deshalb blickt „Grenzenlos Kultur“, Deutschlands dienstältestes Festival mit behinderten und nicht behinderten Künstler*innen, in seiner 20. Ausgabe hinter die Kulissen von „Industriekultur“ und „Kulturindustrie“.

Das Zürcher Theater HORA zeigt „Bob Dylans 115ter Traum“, eine Hommage an den Songpoeten und Literaturnobelpreisträger. Im Doppelkonzert von Percujam und den 17 Hippies trifft Weltmusik auf französischen Rap. Und draußen machen Les Grooms mit „La Baronnade“ die Mainzer Innenstadt unsicher.

Zur Industriekultur gehört aber auch die Arbeiterklasse. In der Lecture Performance „Wot? No fish!!“ berichtet Danny Braverman aus Großbritannien von einem Fabrikarbeiter, der über 30 Jahre jede Woche auf seine Lohntüte eine Episode aus dem Leben der Familie malte, zu der auch ein autistisches Kind gehörte. Braverman lenkt mit seiner Arbeit den Fokus auf diejenigen, die die Industriekultur erst möglich gemacht haben – und zeigt, wie viel Mühsal, aber auch Poesie und Witz in diesen Leben steckt(e). Zur Arbeitsklasse in einer globalisierten Welt gehören heute zum Beispiel die Putzfrauen. In der griechischen Produktion „Clean City“ von Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris erzählen Reinigungskräfte verschiedener Einwanderergenerationen von einer Arbeit, in der soziale Gegensätze alltäglich aufeinanderstoßen, sowie von Solidarität in Zeiten der Krise.

Aber wie funktioniert überhaupt der Kapitalismus? In „£¥€$“ lädt die gefeierte belgische Gruppe Ontroerend Goed zum Bankenspiel – und lotet so die Grundregeln der Marktwirtschaft aus. Aber was ist eigentlich mit denen, die nicht mitspielen wollen oder können? In „Mental“ erzählt der britische Performer the vacuum cleaner vom Bett aus von einem Leben, das nicht ins System passt – und deshalb bekämpft und pathologisiert wird.

Auch Weltliteratur bringt „Grenzenlos Kultur vol. 20“ nach Mainz. In der „Reise um die Erde in 80 Tagen“ schilderte Jules Verne 1873, wie die industrielle Revolution den Geist beflügelt und den Körper beschleunigt, zeigte aber auch, dass am Ende nicht das Schneller, Höher, Weiter zählt. Ein Dokument der Entfremdung ist wiederum „Not I“, Samuel Becketts Monolog für einen leuchtenden, körperlosen Mund, dem es unmöglich ist, „ich“ zu sagen. Touretteshero wird sich dieses Sprachkunstwerk auf ihre ganz eigene Weise aneignen. Gleiches gilt für „Richard III.“, jenen körperlich und seelisch gebeutelten Shakespeare-Schurken. Was passiert, wenn eine Schauspielerin diese Rolle „verkörpert“, deren Körper nicht der Norm entspricht, zeigt die Llanarth Group.

Aber „Grenzenlos Kultur“ steht seit jeher auch für Utopien. „Touch me“ der tanzbar_bremen zeigt die Kraft von Berührungen. „Der Tag, an dem Kennedy ermordet wurde und Mimmi Kennedy Präsidentin wurde“ von Dennis Seidel erzählt eine hinreißend komische Krimi-Seifenoper, in der am Ende das Gute siegt. Und „Gans anders“, das Kinderstück von Meine Damen und Herren und der transnationalen Performance-Gruppe HAJUSOM, beschäftigt sich mit Vorurteilen, Vorbildern und Zugehörigkeit.

Seit Jahren schon wird „Grenzenlos Kultur“ von einem Symposium begleitet, das wesentliche Fragen von Inklusion und Theater vertieft. In diesem Jahr steht bei „Out of Time?“ Zeit und (Un)produktivität im inklusiven Theater im Mittelpunkt. Erfordert inklusives Theater einen neuen oder anderen Umgang mit Zeit? Apropos Zeit: 2018 steht auch für „Grenzenlos Kultur“ ein Jubiläum an – die 20. Ausgabe, von der bei der Gründung des Festivals 1997 kaum einer zu träumen gewagt hätte. In diesem Sinne: Schauen, diskutieren, feiern und träumen Sie mit uns!

Andreas Meder
Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur

 

GESUCHT: Wohnung für Theaterstück vom 19. - 22. September

 

Wir suchen für einige Tage eine geeignete Wohnung für die Aufführung des Monolog-Stücks "Mental". Das Ein-Personen-Stück spielt komplett im Bett eines Schlafzimmers und erzählt von der depressiven Erkrankung eines Mannes. Sehr intim und ergreifend.

Die Wohnung braucht:

  • ein großes Bett mit durchgängiger Matratze
  • Platz für 15 bis 20 Zuschauer*innen drum herum
  • barrierefreien Zugang

Die Vorstellungen finden am 20. und 21. statt, am 19. richten wir 2 Scheinwerfer und Sitzkissen ein und proben. Hinterher wird alles aufgeräumt und ordentlich übergeben. Natürlich zahlen wir auch eine Aufwandsentschädigung oder können die Kosten eines Hotelzimmers für Sie übernehmen. Wir haben das Stück bereits 2015 in Berlin präsentiert und alles hat gut geklappt, auch ohne die Nachbarn zu stören. Wer also geeignete Räume für uns hat und das Festival unterstützen möchte, meldet sich bitte bei Silke Stuck: silke.stuck@grenzenlos-kultur.de