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Grenzenlos Kultur vol. 19
"Epochen und Episoden"

Foto: I can be your translator, © Oskar Neubauer

Die Reformation wird 500 Jahre alt - eine Zäsur in der deutschen Geschichte, die ohne Mainz und Johannes Gutenberg so nicht möglich gewesen wäre. Deshalb fragt "Grenzenlos Kultur", Deutschlands ältestes Festival mit behinderten und nicht behinderten Künstler*innen, in seiner 19. Ausgabe nach "Epochen und Episoden": Was hat sich durchgesetzt, was ist in den Rumpelkammern der Geschichte verschwunden? Und welche Rolle spielen Menschen mit Behinderung dabei?

Dass der Humanismus problematische Seiten besitzt, zeigt William Shakespeares Spätwerk "Der Sturm" als Gastspiel des Bremer Blaumeier-Ateliers: Der weise, zu unrecht verbannte Prospero kann sein Recht nur zurückbekommen, weil er auf seiner Insel den "Wilden" Taliban und den Luftgeist Ariel unterdrückt. Ist das gerecht? Ist das menschlich? Schlüssel für den Blick zurück nach vorn ist zudem die Performance "De Man in Europe" des belgischen Künstlers Lucas de Man, der auf der Suche nach dem Renaissance-Künstler Hieronymus Bosch eine Studie über das Europa der Gegenwart zeichnet.

"Grenzenlos Kultur vol. 19" beschäftigt sich nicht nur mit Europa, sondern hat auch Europa zu Gast - Künstler*innen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz, Russland und Serbien. Der inklusive Upsala Circus aus St. Petersburg setzt in "Ich bin Bashō" dem bedeutenden japanischen Haiku-Reformer ein äußerst lebendiges Denkmal. Hier verbinden sich artistische Höchstleistungen mit Augenblicken stiller Poesie. Zusammen mit der "Little Party of Missed Dance", zu der Per.Art aus Novi Sad einlädt und dabei auf Tuchfühlung zum Publikum geht, ergibt sich fast ein kleiner Osteuropa-Schwerpunkt.

Außerdem geistern die großartigen Rentner-Performer*innen der französischen Gruppe ADHOK durch das Festival: Draußen irren sie als aus dem Altersheim Entflohene über den Tritonplatz, drinnen beweisen sie auf der Bühne, dass das Leben auch im Alter noch voller kleiner Dramen und Komödien steckt. Die Frage, was bleibt, zieht sich auch durch das Musiktheater "Einstein" der Gruppe I can be your translator, das sich mit der epochemachenden Relativitätstheorie auseinandersetzt - und erstaunliche Wege findet, sie spürbar zu machen. Ihre Entdeckung gehört zu den Sternstunden der Menschheit. Aber wer legt eigentlich fest, welche Momente als epochal eingestuft werden?

Epochen und Episoden gibt es auch im Film und der Literatur: Wer sich in der Tragikomödie "Der Besuch der verknallten Dame" an ein bekanntes Drama von Friedrich Dürrenmatt oder den preisgekrönten Film "American Beauty" erinnert fühlt, ist auf der richtigen Spur - und wird bestimmt auch all die anderen Anspielungen entschlüsseln, mit denen die Berliner Kult-Puppentruppe Das Helmi und das Zürcher Theater HORA ihre Abende würzen. Außerdem kommen das Berliner Theater Thikwa und Anne Tismer mit dem dritten Teil ihrer Trilogie über Filme nach Mainz. Nach zwei Buñuel-Adaptionen stürzen sich die Thikwa-Schauspieler*innen diesmal auf die Eddie-Murphy-Komödie "Mensch, Dave", eine durchgeknallte Science-Fiction-Klamotte, die auf sehr skurrile und komische Weise Fremdheit, Ausgrenzung und Annäherung an das und den Andere(n) thematisiert: Unterscheidet sich der Mensch von einer Maschine? Was ist ein Gefühl und wie geht man damit um?

Auf der Suche nach Epochen und Episoden verliert "Grenzenlos Kultur" auch seine eigene Geschichte nicht aus dem Blick: Im Rahmen eines zweitägigen Symposiums schaut die Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur in diesem Jahre auf 20 Jahre inklusiver Festivals zurück.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Andreas Meder, Festivalleiter